Die 1990er gelten oft als die bunten, poppigen und vor allem extrovertierten Jahre des vergangenen Jahrhunderts. Unzähligen neuen Trends und Stilrichtungen wurde nachgespürt, was sich in vielen musikalischen Experimenten niederschlug. Gleichzeitig erlebten viele bereits etablierte Pop- und Rockgrößen ungeahnte Comebacks und feierten große Revivals, so dass neben der fröhlichen Suche nach neuen Innovationen gleichzeitig die Tendenz zur nostalgischen Rückschau aufkam. Eine Tendenz, die sich im darauf folgenden ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts sogar noch verstärken sollte. Nicht zuletzt erlangten in den 90er Jahren neu gegründete Musikfestivals aller Genres, wie etwa Lollapalooza, Rock am Ring, das Wacken Open Air oder auch die Love-Parade vollkommen neue Größendimensionen und versammelten gleichgesinnte Menschen verschiedenster Nationen zu friedlichen aber oft auch exzessiven mehrtägigen Partys.
Das erste große Phänomen dieser Jahre bestand in der Ankunft des Heavy Metal in der Mitte der Gesellschaft. Die einstige als Gegenentwurf zum Pop entworfene Subkultur begeisterte nun mehr und mehr die Massen. Allen voran durch die Band Metallica etablierte sich harte Rockmusik plötzlich in den Mainstream-Radios und lief tweilweise sogar auch in den Hauswarenabteilungen großer Warenhäuser. Viele neue Bands, wie etwa Rage Against the Machine oder auch Korn, positionierten sich im Umfeld dieses Genres und brachten durch immer neue Stilmixe schließlich die Bezeichnung „Crossover“ hervor. Die um den charismatischen Sänger Kurt Cobain gegründete Formation Nirvana erlangte innerhalb kürzester Zeit Weltruhm und ließ Cobain, der auf dem Höhepunkt seines Erfolges Selbstmord beging, zu einer tragischen Ikone der frühen 90er Jahre werden.
Die nächste große Entwicklung der Musik dieser Zeit betraf die immer stärkere Zuwendung zu elektronischer Musik. Gegen Ende des vorherigen Jahrzehnts fiel zum ersten Mal der Begriff „Techno“ und bald füllte durchgängig tanzbare Musik mit einem konstant gleichbleibenden Rhythmus die Clubs und Diskotheken verschiedenster Länder. Schnell entstanden von Eurodance, House und Trance über Rave bis hin zu experimentellen Formen wie Drum‘n‘Bass und Jungle mehr und mehr Spielarten elektronischer Musik und erfolgreiche Künstler dieser Szene, wie etwa Snap!, La Bouche oder etwa Marusha, bestimmten die Charts. Neuartig war auch die steigende Popularität des sogenannten „DJs“ beziehungsweise „Disc-Jockeys“, der in den Clubs die Musik auflegte, durch verschiedene Effekte verfremdete und schließlich mit eigenen Stücken selbst als Künstler verstärkt in den Vordergrund trat.
Als weiterer großer Trend etablierter sich die Musik afroamerikanischer Rapper aus den USA in der ganzen Welt. Der Begriff „Hip Hop“ umfasst hierbei nicht nur ein musikalisches Genre, sondern steht für die gesamte kulturelle Szene, die sich um ihre Stars herum gruppierte. Künstler wie Dr. Dre, Snoop Doggy Dogg und 2Pac entwickelten den Gangsta-Rap und trugen in den Medien offen ihre jeweiligen Rivalitäten untereinander aus. Besonders der Streit zwischen den Rappern der amerikanischen Westküste mit denjenigen der Ostküste erlangte nicht zuletzt dadurch Berühmtheit, dass zwei seiner Hauptprotagonisten, Tupac Shakur alias 2Pac und der als The Notorious B. I. G. bekannte Frank White, innerhalb wilder Schießereien ums Leben kamen. Zu einer der kommerziell erfolgreichsten Hip-Hop-Bands gehörten The Fugees, deren drei Mitglieder Wyclef Jean, Pras Michel und vor allem Lauryn Hill bis weit in die 2000er hinein auch als Solokünstler große Hits zu verzeichnen hatten.
Neben diesen drei großen Musiktrends, die alle zunächst als Subkultur entstanden sind und sich erst nach und nach auf dem weltweiten Musikmarkt etablierten, waren die 90er Jahre auch das Jahrzehnt der großen Teenie-Bands und Boygroups. Meistens bestehend aus drei bis fünf Mitgliedern und niemals älter als Anfang zwanzig, performten diese Gruppen ihre mehrstimmig arrangierten Songs durch ausgefeilte getanzte Choreographien. Die Fäden zogen hierbei in der Regel erfahrene Manager renommierter Plattenfirmen, die im Hintergrund die Bands zusammenstellten und möglichst einheitlich vermarkteten. Ihre bekanntesten Vertreter waren Take That, East 17 oder etwa auch die Backstreet Boys. Die größtenteils sehr jungen weiblichen Fans lösten oft Massenhysterien bei Konzerten aus und hängten zu Hause ihre Zimmer voll mit Postern ihres jeweiligen Schwarms.
Die 90er Jahre brachten zusammen mit einer Menge neuer musikalischer Innovationen nicht zuletzt eine Reihe von Künstlern hervor, die sich auch später noch als erfolgreiche langlebige Marken im Musikbusiness erweisen sollten. So prägten beispielsweise Robbie Williams, ehemals Mitglied der Boyband Take That, Justin Timberlake, früheres Mitglied der Boyband ’NSync, oder auch der Rapper Snoop Doggy Dogg im darauf folgenden Jahrzehnt weiterhin die Charts.