Musik der 70er Jahre

In den 1970er Jahren erlebte die populäre Musik einen erneuten Kreativitätsschub, der in einer Vielzahl neuer Spielarten, auftauchenden Künstlern und Bands resultierte. Der Summer of Love war zwar vorbei und im Zuge dessen waren einige Stile, wie etwa der des klassischen Singer-/Songwriters, etwas ins Hintertreffen geraten (Bob Dylan sorgte bereits 1965 für einen Eklat, als er begann, elektronisch verstärkt zu spielen), trotzdem lebte der Geist des legendären Woodstock-Festivals weiter und beeinflusste die Entwicklungen.

Die neben weltpolitischen und sozialen Themen in der frühen Zeit der 70er schwerwiegendste Entwicklung lag sicherlich in der Auflösung der Beatles. Die Supergroup ließ verlauten, alle kreativen Ressourcen aufgebraucht und zu keiner weiteren Zusammenarbeit mehr fähig zu sein. So wurden aus der Band vier eigenwillige und sehr unterschiedliche Solokünstler – allen voran zu nennen John Lennon, der mit seiner Beziehung zu Yoko Ono für Schlagzeilen sorgte. Gleichzeitig veröffentlichten die beiden eine Reihe von Kollaborationen, die retrospektiv die Grundlage für eine weitere einschlagende Entwicklung legten: Punk.

Der Punk und seine Musik traf in der Mitte der 70er genau den Nerv der Jugendbewegung – er war lauter, schneller und aggressiver als alles, was man bisher kannte. Klassische Punkbands wie The Clash und The Sex Pistols in Großbritannien oder Ramones und Patti Smith in Amerika wurden plötzlich an ihren fettigen Haaren ins Rampenlicht gezerrt, wo man von ihnen die Rettung einer Jugendkultur erwartete, die seit dem Ende der Beatles ohne Idole dastand. Natürlich hatte man immer noch die unverwüstlichen Rolling Stones, die einen Hit nach dem anderen produzierten – deren extravagante Attitüde hatte sich aber bereits zu sehr ins Establishment integriert, um noch wirklich zu schockieren.

Diese Aufgabe fiel einer Gruppe wahrhaft außerirdisch wirkender Musiker zu, die sich um den Briten David Bowie scharten. Dieser machte Anfang der Siebziger mit seinem androgynen Auftreten und perfekten Songs von sich reden, in denen sich Subversivität und kreatives Genie vereinten. Frühe Platten wie “Hunky Dory” ebneten so einen ungebremsten Aufstieg, der schließlich in dem Album “Ziggy Stardust and the Spiders from Mars” mündete, mit dem Bowie endgültig im großen Songwriter-Himmel und gleichzeitig dem Progressive-Rock-Olymp angekommen war. Auf dem Höhepunkt des Erfolges sorgte er für einen Eklat, als er auf dem letzten Konzert der das Album begleitenden Tournee das Ende von Ziggy Stardust ankündigte – ohne damit freilich sein eigenes zu meinen. Bowie zog sich nach Berlin zurück und veröffentlichte dort mit “Lodger”, “Heroes” und “Low” seine berühmte “Berlin-Trilogie”, in der er erneut mit der Avantgarde liebäugelte.

Das Ende der 1970er Jahre war popkulturell vor allem geprägt vom Phänomen Disco. Abseits vom schäbigen Punk entwickelte sich ein Bedürfnis nach dem Gegenteil: Glamour, Leichtigkeit und Pomp. Filme wie “Saturday Night Fever” trugen ihr übriges dazu bei, dass Bands wie The BeeGees, Abba, Sly & The Family Stone oder Earth, Wind & Fire enorm populär wurden und auf den oberen Positionen der Charts platziert waren. Die Musik zeichnete sich durch eine hohe Tanzbarkeit aus, die durch einen geraden und stark akzentuierten Beat zustande kam, während die Texte häufig Themen wie Ausgehen oder die Liebe zum Gegenstand hatten.

Neben diesen neuen Stilen entwickelte sich auch der Rock weiter, der mit dem Ende der Beatles keineswegs zur Stagnation gekommen war. Würdenträger wie die Rolling Stones hielten nach wie vor seine althergebrachte Form am Leben, während Erneuerer wie Led Zeppelin, Deep Purple, AC/DC oder ZZ Top die härtere Gangart proklamierten. Neue Möglichkeiten der Verzerrung ermöglichten dem Blues so einmal mehr eine Wiedergeburt im Hardrock. Wer es noch härter bevorzugte, wurde in den 1970er Jahren bei Bands wie Black Sabbath oder Judas Priest fündig, Vorläufern dessen, was man heute unter Heavy Metal versteht.

Die 1970er Jahre waren aber auch die Zeit für die Erforschung von Klangwelten, die bisher noch gänzlich unbekannt waren. Brian Eno beispielsweise erfand mit seinen durch Synthesizer generierten Klangflächen das Ambient-Genre und Klangkünstler wie Emerson, Lake & Palmer riefen den sogenannten Progressive-Rock aus.
Die erfolgreichsten Songs des Jahrzehnts waren aber sicherlich “El condor pasa” von Simon & Garfunkel, “Paloma blanca” von George Baker Selection, “Daddy Cool” von Boney M. oder “So bist du” von Peter Maffay. Damit wird einmal mehr die schiere Bandbreite an unterschiedlichen Genres deutlich, mit denen die 1970er aufwarten können und immer wieder erstaunen und begeistern. Ein herausragendes musikalisches Jahrzehnt!